Eine Geschichte über Macht, wirtschaftliche Privilegien und sozialen Abstieg
Warum soll man heute die Oper „Il Re Teodoro in Venezia“ überhaupt noch spielen?
Diese Frage stellte sich der Regisseur Jochen Biganzoli, der von der Hochschule für Musik und Tanz Köln eingeladen wurde, das ursprünglich von dem Mozartzeitgenossen Giovanni Paisiello komponierte Werk, in der Bearbeitung von Hans Werner Henze auf die Bühne zu bringen. Und dann sah er zufällig, während der Vorbereitung auf die Inszenierung, den Film „Triangle of Sadness“.
„Triangle of Sadness“ ist eine Gesellschaftssatire von Ruben Östlund aus dem Jahr 2022. Die satirische Tragigkomödie ist in der Welt der Reichen und Schönen angesiedelt und wirft einen Blick auf menschliche Abgründe. Es geht um Macht und wirtschaftliche Privilegien, die jeden korrumpieren, selbst wenn man sich ihrem Einfluss bewusst entziehen will; um Menschen, die so viel Geld und Besitz haben, dass sie völlig außerhalb der Gesellschaft leben können. Für Jochen Biganzoli hat das sehr viel mit den Figuren der Oper und deren Verhalten zu tun. Gemeinsam mit dem Bühnen- und Kostümbildner Andreas Wilkens transferiert er deshalb die Geschichte des Teodoro in die Gegenwart. Das Publikum erhält Einblicke in eine Gesellschaft, in der Macht und Geld die bestimmenden Faktoren sind, in der die Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird.
Das wesentliche Bühnenbildelement ist der Schriftzug REICH in 4 Meter großen Buchstaben. Sie sind ein Symbol für Menschen, die nicht nur reich sind, sondern diesen Reichtum auch demonstrieren wollen … protzig, laut und medial. Gleichzeitig fehlt ihnen, in ihrer eigenen Blase lebend, jedes Verantwortungsbewusstsein für die Gemeinschaft als Ganzes.
Die Musik von Hans Werner Henze verfremdet die kleinen und großen Posen der Protagonisten auf der Bühne. Ihre echten und gespielten Gefühle werden ironisch durch die Musik kommentiert und aufs Korn genommen.
Die Inszenierung ist Teil eines Projekts zum Thema „Opera buffa“, gefördert von der Stiftung Zukunft NRW. Ziel ist es, die Opera buffa und ihre internationale Rezeption im 20. Jahrhundert zu untersuchen und durch exemplarische Aufführungen von drei Opern zu vergegenwärtigen. Der Schwerpunkt des Projekts liegt auf der Erstellung einer wissenschaftlich-kritischen Edition des Werks „Le trame deluse“ von Domenico Cimarosa, das bislang noch unveröffentlicht ist. Dieses Stück soll von zwei Werken des 20. Jh. flankiert werden, das erste davon ist „Il Re Teodoro in Venezia“.
Die Akteur*innen auf der Bühne und im Orchestergraben sind Studierende der HfMT Köln. Die musikalische Leitung des Orchesters liegt in den bewährten Händen von Prof. Stephan E. Wehr.
Il Re Teodoro in Venezia
Inszenierung: Jochen Biganzoli
Musikalische Leitung: Stephan E. Wehr
Bühnenbild/Kostüme: Andreas Wilkens
Video: Thomas Lippick
Licht: Thomas Vervoorts
Produktionsleitung: Dr. Heike Sauer
Sänger*innen und Orchester der Hochschule für Musik und Tanz Köln
Eintritt 6 Euro
Karten online bei KölnTicket oder an der Abendkasse
BIOGRAPHIE – Jochen Biganzoli
Jochen Biganzoli studierte Theater- und Musikwissenschaft. Nach ersten erfolgreichen Inszenierungen in Bremen wurde er Oberspiel- und Spartenleiter am Kleist Theater in Frankfurt (Oder). Seit 1999 arbeitet er freiberuflich an diversen Theatern wie u. a. Semperoper Dresden, Theater Regensburg oder Oper Halle. Seine Inszenierungen von Genoveva (Schumann-Tage in Zwickau) sowie die Die Meistersinger (Oper Leipzig) im Jahr 2010 wurden bei der Kritiker-Umfrage der Zeitschrift Opernwelt ebenso nominiert wie sein Tannhäuser (Theater Bielefeld) 2015, der auch für die Autoren-Umfrage der Zeitschrift »Die Deutsche Bühne« nominiert wurde. An der Hamburgischen Staatsoper erhielt er 2013 mit der Oper Der Meistersinger und Margarita den »Rolf-Mares-Preis« als »Herausragende Inszenierung« der Hamburger Theater verliehen. Für seine Lady Macbeth (Theater Lübeck) 2016 wurde er für den dt. Theaterpreis »Der Faust« nominiert. Am Theater Lübeck wurde Der Ferne Klang in der Saisonbilanz 2018 »Der Deutschen Bühne« für »Bühne/Raum/Kostüm« sowie sein dort inszenierter Freischütz im Jahrbuch der »Opernwelt“ 2018 und 2019 in der Kategorie »Beste Aufführung« nominiert. Die »radikal gedachte und verblüffend stimmige Inszenierung« von Tristan und Isolde (Theater Hagen) 2019 wurde sowohl in der aktuellen Autorenumfrage in »Die Deutsche Bühne« als »herausragender Regiebeitrag zur aktuellen Entwicklung der Oper« nominiert, als auch für den dt. Theaterpreis »Der Faust« in der Kategorie »Regie Musiktheater«. Neben seiner Tätigkeit am Theater unterrichtete Biganzoli an den Musikhochschulen Bremen und Hamburg.